Am äußersten östlichen Rand des Landkreises liegt das ca. 50 Hektar große Wiedergeltinger Wäldchen, das vor allem bei Botanikern schon lange bekannt ist. Es handelt sich um einen Pfeifengras-Kiefernwald und Buntreitgras-Kiefern-Wald, einen auch nach Bayerischen Naturschutzgesetz (Art. 13d-Waldbiotope) besonders geschützten Biotoptyp (Molinia arundinacea-Pinus sylvestris-Gesellschaft und Calamagrostio variae-Pinetum sylvestris Oberd) mit der traditionellen Nutzung: Waldweide, Streumahd.
Die Besonderheit des von den Wiedergeltinger Bürgern „Viehweid“ genannten Waldes, ist auf seine durch die nach der letzten Eiszeit entstandene Bodenbeschaffenheit zurückzuführen. Unter der dünnen Rohhumusschicht ist eine bis zu zwei Meter tiefe Almschicht ausgebildet (Kalkausfällung infolge Änderung der physikalisch-chemischen Zustandsbedingungen, hauptsächlich durch von Kohlendioxyd), die sich am Ende der letzten Eiszeit abgelagert hat.
Bei der natürlichen Wiederbewaldung am Ende der Eiszeit vor rund 18.000 Jahren, breitete sich nach dem Rückzug der Gletscher vor allem die Kiefer aus. Auf tiefgründigeren flussferneren Standorten wurde die Kiefer von anderen Gehölzen verdrängt. Dies insbesondere von Hasel und Eiche; im Lechgebiet auch von der Fichte.
Dagegen konnten sich die lichten Kiefernwälder in den durch die alpinen Flüsse entstandenen Schotterauen seit der Eiszeit bis heute behaupten und mit ihnen zahlreiche Pflanzen- und Tierarten diese offenen, lichten Lebensräumen für sich erobern. Diese Kontinuität der Kiefernwälder ist aus dem Lechtal durch Pollenanalysen belegt. Funde von Wildpferdeknochen aus jungsteinzeitlichen Fundplätzen belegen zudem einen hohen Anteil offener, waldfreier Flächen.
Dieser sehr seltene Untergrund und die Beweidung -vermutlich ab dem Mittelalter durch das Vieh mit gelegentlicher Streumahd - prägten das Wäldchen bis in die Neuzeit. Der lockere Kiefern- und Fichtenwald mit größeren Lichtungen blieb weiter erhalten.
Auf diesen Lichtungen fanden im außeralpinen Raum sehr seltene Pflanzengesellschaften ihre Entfaltungsmöglichkeiten.
Eine Gefährdung für die Tier- und Pflanzenwelt bedeutete die im 20. Jahrhundert einsetzenden Aufforstungsmaßnahmen in Form von Fichtenmonokulturen und die zunehmende Verbuschung der Lichtungen.
Seit Ende der 80er Jahre versuchen deshalb die LBV - Ortsgruppe Wertachtal und die LBV Kreisgruppe Unterallgäu des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) den Erhalt des Wäldchens mit seinen botanischen Kostbarkeiten durch Ankauf zu sichern.
Es gelang dem LBV bisher ca. 5,5 Hektar käuflich zu erwerben.
Mit dem Kauf der Grundstücke allein ist es jedoch nicht getan; die Flächen müssen auch weiterhin betreut werden. Außerdem ist noch das Bayer. Waldgesetz zu beachten. Ein eigens erstellter Pflegeplan durch den LBV gibt deshalb genaue Pflegemaßnahmen vor, um die Raritäten des Wäldchens und seine verschiedenen Ausprägungen auch für die Zukunft zu erhalten.
Pflegeplan der LBV - Kreisgruppe:
Erhalt des lichter Fichten- und Kiefernwaldes:
Dichter Fichtenwald (Monokultur) - Langfristiges Ziel: Lichter Kiefern-Fichtenwald
Schattiger Wald -Standorte der Nacheiszeitrelikte
Erhalt der Lichtungen – langfristiges Ziel: Nährstoffentzug
LBV - Mitglieder, interessierte Naturfreunde und Landwirte führen diese Maßnahmen durch. Auf einer verkrauteten Fläche wurde der Alm wieder freigelegt, um neuen Lebensraum für die lichthungrigen Pflanzen zu schaffen. Hauptaufgabe der letzten Jahre war jedoch die Aufarbeitung der vom Borkenkäfer (hauptsächlich der Kupferstecher) befallenen Fichten. In die hier geschaffenen Freiflächen wurden nun insgesamt 100 Kiefern gepflanzt.
Zusätzlich wurde der erste Wacholder aus eigener Nachzucht gesetzt; von dem letzten noch vorhandenen Wacholderbaum im Wäldchen stammt der Steckling ab. Ein Teil der Lichtungen wird nun jedes Jahr gemäht, das Mähgut abtransportiert.
Diese Pflegemaßnahmen dauern vom Januar bis Anfang Mai und weiter von Mitte September bis in den Dezember. Die Maßnahmen zeigen bereits Wirkung: die ersten Kiefern aus natürlichem Samenanflug sind aufgegangen. Ein Problem ist zurzeit noch die Verwertung des anfallenden Materials. Wir hoffen in naher Zukunft auch hierfür eine vernünftige Lösung zu finden.
Für die Zukunft wäre zumindest auf Teilflächen eine Wiederaufnahme der Beweidung sinnvoll. Leider konnte bisher noch kein Landwirt oder Schäfer dafür gefunden werden. Eine andere Möglichkeit wäre die Anschaffung einer kleinen Schaf- und Ziegenherde. Jedoch müssten die anfallenden Kosten und die Betreuung hierfür gewährleistet werden. Deshalb wird in der nächsten Zeit wohl die Mahd, die nach Aufgabe der Beweidung noch bis in die 1950er-1960er Jahre praktiziert wurde, die einzige sinnvolle Alternative darstellen. Hierfür sind Helfer immer willkommen!
Johann Schilling